Wissenschaft als Beruf
Professoren diskutierten Berufsbild und Besoldungsrecht
Der Deutsche Hochschulverband (DHV) als Interessenvertretung von über 17 000 Universitätsprofessoren und Nachwuchswissenschaftlern wählte in diesem Jahr als Motto seiner alljährlich stattfindenden Verbandstagung Wissenschaft als Beruf.
Als Gäste der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität, der Stadt Bonn und dem Land Nordrhein-Westfalen (NRW) trafen sich Mitte März 1999 mehr als 250 Hochschullehrer aus 98 universitären Einrichtungen zum Meinungsaustausch mit Politikern und Vertretern der Wirtschaft zu aktuellen Fragen zum Berufsbild des Professors, des Dienst- und Besoldungsrechts und der Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses.
Die zum Teil sehr kontrovers geführte Diskussion an den Hochschulen und in den Massenmedien, ausgelöst durch die gegenwärtigen Reformbewegungen für die Hochschulen, deren Auftakt die im vergangenen Jahr in Kraft getretene Novelle zum Hochschulrahmengesetz gewesen ist, bestimmte auch den Hochschulverbandstag.
Wenn der Präsident unseres Verbandes, der Kölner Völkerrechtler Hartmut Schiedermair, bereits im Vorfeld immer wieder darauf hinwies, daß die Auswirkungen des novellierten Hochschulrahmengesetzes durch den Verzicht auf Organisations- und Mitbestimmungsregelungen die -ungezügelte Experimentierlust der Bundesländerì hervorrufen wird, stehen wir jetzt nach Abschluß der Gesetzgebungsverfahren in den 16 Bundesländern vor einem "provinziellen Flickenteppich" und einer "hochschulpolitischen Kleinstaaterei".
Flut neuer Regelungen
Unter dem Ruf nach mehr Autonomie und Wettbewerb begonnen, steht die Hochschulreform am Ende eines Weges, der dadurch bestimmt wird, daß die Länder die Hochschulen mit einer "Flut neuer Regelungen" eindecken. Haupttenor dabei ist das Zurückdrängen der Gruppenuniversität zugunsten einer gestärkten Leitung - den horizontalen Aufbau der Universität immer mehr durch vertikale Entscheidungsstrukturen zu ersetzen und den Einfluß der Professorenschaft zurückzudrängen. Die Installierung von Hochschulräten ist ein Ausdruck von "Fremdbestimmung der Universitäten durch Staat und Wirtschaft".
In die gleiche Richtung zielen die Vorschläge der Hochschulrektorenkonferenz zum Dienstrecht und zur zukünftigen Hochschullehrerbesoldung. Obwohl dieses Positionspapier gewissermaßen aus den "eigenen Reihen" kommt, sind darin so viele halbdurchdachte und unseriöse Vorschläge enthalten, daß diese weniger zu einer leistungsbezogenen gerechteren Besoldung als vielmehr zu tiefgreifenden Besoldungseinschnitten, zu einer Nivellierung statt einer Differenzierung der Besoldung und letzendlich zu einer Gefährdung der Freiheit von Lehre und Forschung führen werden. Auch die Frage der Entbeamtung des Hochschullehrerberufes steht in vielen Bundesländern zur Diskussion, obwohl die Sicherung der Unabhängigkeit vom Staat nur durch ein Beamtenverhältnis gesichert werden kann. In seiner Eröffnungsrede zum Verbandstag resümierte deshalb Kollege Schiedermair, daß sich "immer häufiger die besten Köpfe unter den Nachwuchswissenschaftlern nicht für eine weiter Hochschulkarriere, sondern für die Wirtschaft entscheiden".
Fähigkeit zu klarem Controlling gefordert
In seinem Grußwort forderte der Staatssekretär im NRW-Wissenschaftsministerium, Wolfgang Lieb, daß im Zeitalter der Massenhochschule die Humboldtschen Ideale weiterentwickelt werden müßten. Das Ministerium ist nur dann bereit, den Hochschulen "Große Freiheiten" einzuräumen, wenn "handlungsfähigere Leitungsorgane mit der Fähigkeit zu klarem Controling" eingeführt würden.
Der Präsident der Kultusministerkonferenz, der sächsische Wissenschaftsminister Hans Joachim Meyer, vertrat die Meinung, daß die "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums und die Grundsätze des Bundesangestelltentarifs die Hochschulen nicht motivieren, modernen Anforderungen an Innovation gerecht zu werden und im Wettbewerb um die besten Hochschullehrer weltweit" mithalten zu können.
In ihrem vielbeachteten Festvortrag zur Wissenschaft in der öffentlichen Wahrnehmung kam die Nestorin der deutschen Meinungsforschung, Frau Prof. Elisabeth Noelle Neumann vom Institut für Publizistik der Uni Mainz und Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, zu dem Ergebnis, daß in der öffentlichen Meinung die deutsche Wissenschaft und Forschung und die Hochschullehrer auch weiterhin einen hohen Stellenwert besitzen.
In seinem Vortrag Der Professor - Stellung, Ansehen und Meinungsbild der Hochschullehrer im internationalen Vergleich konnte Prof. Ulrich Teichler, Leiter des wissenschaftlichen Zentrums für Berufs- und Hochschulforschung der Universität Gesamthochschule Kassel, ebenfalls eine positive Bilanz ziehen.
Die Podiumsdiskussion unter dem Motto Wissenschaft als Beruf - Status, Besoldung und Arbeitsbedingungen der Universitätsprofessoren, an der die Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, der Präsident der Hochschulrektorenkonferenz, Prof. Klaus Landfried, der Geschäftsführer und stellvertretende Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, Prof. Winfried Schlaffke und als Vertreter des Vorstandes des DHV, Prof. Bernhard Kempen von der Universität Würzburg teilnahmen, moderierte der Intendant des Saarländischen Rundfunks, Fritz Raff. Hier prallten die Meinungen zu den eingangs genannten Problemen hart aufeinander.
Eine zweite Podiumsdiskussion zu der Frage Wissenschaft als Beruf - noch attraktiv für den Nachwuchs? an der unter anderem der Vorsitzende des Bildungs- und Forschungsausschusses des Bundestages, Jürgen W. Möllemann und der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Prof. Ernst-Ludwig Winnacker, teilnahmen, wurden Defizite in der Bildungspolitik von Bund und Ländern und insbesondere die zu geringen Investitionen für Bildung und Forschung einvernehmlich beklagt. Jürgen Möllemann vertrat die Meinung, daß nur ein Bund-Länder-Sofortprogramm mit einem Budget von 10 Milliarden DM für die deutschen Hochschulen die erforderliche Konkurrenzfähigkeit in der Welt sichern kann.
Delegiertenversammlung
Der letzte Tag war wie immer der Delegiertenversammlung des Verbandes vorbehalten. In seinem Rechenschaftsbericht zog der Präsident eine positive Bilanz der geleisteten Arbeit von Vorstand, Landesvertretungen und Hochschulvorständen. Er bekannte, daß die Aktivitäten in der Hochschulgesetzgebung der Länder eine wachsende Wahrnehmung der Verantwortung der Landesvertretungen des DHV erfordern.
In den vom 49. Verbandstag verabschiedeten Resolutionen
- Zur Zukunft der deutschen Universität
- Zur Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen in Deutschland
- Zur Attraktivität des Hochschullehrerberufes
wurde von den Delegierten des DHV eindeutig Stellung zu den aufgeworfenen Fragen und Problemen bezogen. Es wurde klar gestellt, daß die "Hochschulen noch immer von den Professoren gemacht" werden und eine schleichende Demontage ihrer Stellung und Unterfinanzierung zwangsläufig Leistungsverluste nach sich ziehen müssen.
Die Hochschullehrer verschließen sich weder dem Wettbewerb um die besten Studierenden noch dem Wettbewerb um die besten Wissenschaftler. Dazu müssen jedoch geeignete Instrumentarien genutzt werden, auch Evaluationsverfahren, die ausschließlich in der Hand der Universitäten selbst liegen und wissenschaftlichen Ansprüchen genügen.
Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich auch der 49. Hochschulverbandstag 1999 in Bonn mit den aktuellen Problemen der deutschen Hochschulen konstruktiv auseinander gesetzt hat. Der Präsident, Hartmut Schiedermair erinnerte in seinem Schlußwort daran, daß der Verband im nächsten Jahr 50 Jahre alt wird aber in einer 800-jährigen guten Tradition steht. Auch heute gilt: "politische Macht ist zerbrechlich - der Geist nicht".