Wohin rollt der EURO?

13.06.1999 -

Professor Issing über erste Erfahrungen mit der europäischen Währungsunion

Zwei Jahre hartnäckigen Bittens hat es gebraucht, bevor Prof. Dr. Otmar Issing einen Termin für einen Vortrag in Magdeburg in seinem dichtgefüllten Kalender frei hatte. Das Mitglied im Direktorium der Europäischen Zentralbank (EZB) informierte Anfang Mai 1999 die zahlreich erschienenen Zuhörer über Erste Erfahrungen mit der europäischen Währungsreform. Sein präziser, klarer und völlig frei gehaltener Vortrag vermittelte dem Publikum nachhaltig die Souveränität des Redners im Umgang mit der Materie.

Im Unterschied zur Deutschen Bundesbank, deren Direktorium Otmar Issing acht Jahre angehörte, habe die Europäische Zentralbank mit Bedacht auf die Vorgabe eines Geldmengenziels verzichtet. Grund dafür sei, erläuterte der Finanzexperte, die Schwierigkeit, bei einer noch ganz jungen Währung das Verhalten von Geldmengenaggregaten beurteilen zu können, denn frühere Erfahrungen der nationalen Zentralbanken seien nur begrenzt übertragbar.

Inflationserfassung

Auf die statistischen Schwierigkeiten der Inflationserfassung in "Euroland" verwies der Redner im Zusammenhang mit der Definition des Preisniveaus. Aber auch die raschen Fortschritte, die in dieser Hinsicht dank der Bemühungen der EZB in Kooperation mit der zuständigen statistischen Behörde der Europäischen Union

EUROSTAT erzielt wurden und weiter werden führte er an. Zu geldpolitischen Instrumenten erläuterte Professor Issing Gemeinsamkeiten, aber auch wesentliche "technische" Unterschiede, die sich zwischen der früheren Praxis der Bundesbank und der heutigen Praxis der EZB feststellen lassen. Diese Unterschiede beruhen auch auf neuen und elegant nutzbaren Möglichkeiten des elektronischen Datenverkehrs.

An den fast einstündigen Vortrag schloß sich eine rege Diskussion an. Auf die Frage nach den Ursachen für die EURO-Schwäche gegenüber dem US-Dollar in den ersten Monaten seiner Existenz nannte Issing den Kosovokrieg sowie die unerwartet starke Konjunktur der amerikanischen Wirtschaft, die sich letztlich auf deren größere Flexibilität stützt. Er mahnte dabei längst überfällige Reformen in "Euroland" an, die allerdings politisch entschieden werden müßten und deshalb außerhalb der EZB-Kompetenz lägen. Die Zentralbank habe ihrerseits strikt stabilitätsorientiert gehandelt. Die jüngste deutliche Zinssenkung sei in diesem Sinne angemessen und kein Grund für die EURO-Schwäche.

Eine Nachfrage aus dem Auditorium kam auch zum Verzicht auf Geldmengenziele. Dazu räumte der Währungsfachmann zwar ein, daß eine öffentliche Selbstbindung durch feste Regeln der Stabilität zweifellos förderlich wäre; er betonte aber auch, daß bei einer sehr jungen Währung wie dem EURO das Risiko zu groß wäre, im nachhinein starke Zielkorrekturen vornehmen zu müssen, die der Glaubwürdigkeit massiv schadeten.

Ob nicht die Gefahr bestünde, das die EZB stärkeren politischen Pressionen unterliegen könnte als vormals die Bundesbank, kam eine Frage aus dem Publikum. Professor Issing führte aus, das politische und ökonomische Umfeld sei in der Tat differenzierter und schwieriger als vormals für die Bundesbank, aber eine direkte nationale Einflußnahme zum Beispiel über die Vertreter im EZB-Direktorium sei weitgehend ausgeschlossen, nicht zuletzt wegen der verfassungsmäßigen Absicherung der Unabhängigkeit der EZB.

Kluge Konstruktion

Insgesamt hinterließ der Vortrag den Eindruck, daß die europäische Währungsunion und die Europäische Zentralbank auf klugen Konstruktionsprinzipien beruhen, die Hoffnung geben auf ein hohes Maß an Wertstabilität des EURO. Gleichwohl verbleiben Zweifel, und diese Zweifel sind nach den ersten Monaten der Erfahrung mit dem EURO nicht verschwunden, sondern vielleicht sogar noch verstärkt worden. Erst die fernere Zukunft wird zeigen, ob der EURO eine ähnliche Erfolgsgeschichte haben wird wie die Deutsche Mark. Bis dahin darf weiter spekuliert werden. Prof. Dr. Otmar Issing hat mit diesem Vortrag eine überzeugende intellektuelle Grundlage für diese Spekulationen gelegt.


Autor:in Prof. Dr. Horst Gischer, Prof. Dr. Karl-Heinz Paqué

Letzte Änderung: 13.06.1999 -
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