Mit einem Rollstuhl auf Radwanderung
Studierende der Studienrichtung Integrierte Produktentwicklung stellten ihre Projektergebnisse vor
Ein motorisiertes Skateboard, Wheelman 2 genannt, Rollstühle an Fahrrädern angehängt oder auf Kufen, ein "schwimmendes Haus" für die Müritz oder ein Briefkastensystem mit Klingel, Video und Beleuchtung – das sind keine Phantastereien, sondern ganz konkrete Projektergebnisse der Studienrichtung Integrierte Produktentwicklung (IPE), getragen vom Lehrstuhl für Maschinenbauinformatik am Institut für Maschinenkonstruktion.
In fünf interdisziplinären Teams lösten Studierende im zurückliegenden Sommersemester spannende Aufgaben. "So viele Projekte, mit solch hoher Anzahl an Projektteilnehmern, realisierten wir das erste Mal seit Beginn der IPE-Ausbildung in 2000. Und alle Teams arbeiteten wie immer an unterschiedlichen Themen", unterstrich Thomas Naumann, der die Studierenden mit Thomas Gatzky und Prof. Dr. Sándor Vajna sowie Prof. Ulrich Wohlgemuth von der Hochschule Magdeburg-Stendal gemeinsam betreute.
Alles beginnt mit einem "Kick off" zu Semesterbeginn zur Vorstellung der Projektthemen. Außer den IPE-Studenten sind Kommilitonen aus anderen Fachrichtungen wie Computervisualistik, Sport und Technik oder Industriedesign eingeladen. Je nach Interesse können sich die Studierenden dann für die Mitarbeit an einer der Aufgabenstellungen entscheiden. Berücksichtigt werden dabei aber auch die Erfordernisse der jeweiligen Projekte. Je komplexer das Thema, je höher der gestalterische und konstruktive Anteil, desto erfahrenere Studenten arbeiten mit und desto mehr Experten müssen eingebunden werden. Diese finden die jungen Entwickler in anderen Bereichen der Universität, der Hochschule oder bei den Unternehmen.
Gelerntes Wissen anwenden
Die Ideen für neue Produkte kommen entweder von den Machern oder den Studenten selbst, wie beispielsweise eine Carving-Hilfe für Ski oder wie der Wunsch zur Entwicklung des Hausbootes von einer Firma, die selbst nicht über eine eigene Entwicklungsabteilung verfügt, wie so viele Betriebe in Sachsen-Anhalt. "Die Zusammenarbeit mit Unternehmen der Region ist für uns und die Studenten von großer Bedeutung. Wir transferieren unser Entwicklungs-Know-How in die Unternehmen und motivieren unsere Studenten, nach dem Abschluss hier zu bleiben. Die Studenten selber lernen, ihr in den Vorlesungen und Seminaren angeeignetes Wissen anzuwenden, mit Praxispartnern zusammenzuarbeiten und auf Kundenwünsche einzugehen", erläuterte Thomas Naumann. Ein Semester lang wurde in den Studententeams intensiv recherchiert, geplant, entworfen, konstruiert, geprüft, simuliert, modelliert und gefertigt. Die Carving-Hilfe beispielsweise unterstützt optimal das Carven. Das sind weit geschnittene Schwünge mit hohen Schräglagen beim Skifahren. Als absolute Neuheit kann sie auf jedem Ski angebracht werden und verbessert neben der Haltung des Skifahrers vor allem die Kantensteuerung des Skis. Oder der Rollstuhl, der sich nach kurzem Umbau an ein Fahrrad hängen lässt oder als Schlitten genutzt werden kann. Im Austausch mit dem Magdeburger REHA-Zentrum wurden zwei Module entwickelt, die Rollstuhlfahrern gleichwertige Möglichkeiten der Freizeitgestaltung eröffnen. Und dann ist da noch der Briefkasten in Modulbauweise für jeden Kundenwunsch: optimale Postentnahme, Sprechanlage, Beleuchtung, Hausnummer oder separates Fach für Zeitungen.
Über die Details der einzelnen Produkte wird nicht viel gesprochen, schließlich sollen aus diesen Ideen schutzrechtsfähige Produkte entstehen. Diese dann zu vermarkten, wird künftig die Patentverwertungsgesellschaft ESA helfen. Um sich und ihre Entwicklungen fit für den Markt zu machen, holen sich die Studierenden theoretisches Rüstzeug in der zukünftigen Zusammenarbeit mit dem KfW-Stiftungslehrstuhl für Entrepreneurship von Prof. Dr. Matthias Raith, denn jede Produktidee hat einen betriebswirtschaftlichen Hintergrund. In Zukunft führen die in den Projekten entwickelten Produkte zu Firmengründungen, erwarten die Verantwortlichen der Studienrichtung IPE.
Auf der Abschlusspräsentation Ende des Semesters werden dann den eingeladenen Gästen aus Hochschulen und Unternehmen von den studentischen Teams alle Entwicklungskonzepte und ein virtueller, besser noch physischer Prototyp vorgestellt. Der Bau der Prototypen wird nicht selten aus der eigenen Tasche bezahlt und auf dem heimischen Küchentisch bewerkstelligt. Unterstützung erhalten die Studierenden bei der physischen Umsetzung ihrer Ideen bislang nur in der Werkstatt des Instituts für Maschinenkonstruktion von Lutz Weishuhn sowie bei der Nutzung von Rapid-Prototyping-Verfahren seitens Dr. Christiane Beyer und Dr. Frank Engelmann. Die Studierenden, die an den Semesterprojekten der Studienrichtung Integrierte Produktentwicklung teilnehmen, wünschen sich für ihren Modell- und Prototypenbau eine richtige Werkstatt, in der sie ihre Arbeiten auch unter- und ausstellen können, denn derzeit sind diese noch auf das Sekretariat des Lehrstuhls, die Arbeitszimmer der Mitarbeiter oder das Computerkabinett verteilt. Und im nächsten Jahr werden weitere hinzukommen. "Wir sind schon sehr zufrieden mit den bereits erreichten Projektergebnissen, mit der Zusammenarbeit mit anderen Fachbereichen und der Wirtschaft. Aber wir wollen noch viel weiterkommen, wollen immer wieder spannende Projektthemen effektiv umsetzen, vor allem die Vermarktung der Ideen anstoßen und diese Erfolgsstory nach außen tragen", bekräftigte Thomas Naumann.