Mehr als ein Alibi
Rückblick auf Hochschultage der Studentenmission
Ethik und Wissenschaft, was hat das miteinander zu tun? Scheinbar nicht sehr viel. Gerade in der Wirtschaft, aber auch in Medizin und Naturwissenschaften haben ethisch-moralische Fragen oftmals eher Alibi-Charakter. Die Magdeburger Studentenmission (SMD) versuchte deshalb auf ihren "Zweiten Christlichen Hochschultagen" im November 1999 die Praxisrelevanz in drei Vorträgen zu zeigen.
Verantwortung
Der Konstanzer Chemiker Dr. Harald Binder wies auf verschiedene Verhaltenskodizies in den Naturwissenschaften hin. Oft wird hier von der Verantwortung für künftige Generationen geredet, aber auch "zur Sicherung guter wissenschaftlicher Arbeit" wurden bereits Richtlinien erarbeitet, die eine Manipulation von Forschungsergebnissen und den Diebstahl geistigen Eigentums verhindern sollen. Doch Binder verwies darauf, daß mit diesen Richtlinien unethisches Verhalten nicht verhindert wird. Wichtig ist die Wahrnehmung persönlicher Verantwortung, beispielsweise des Chefs für seine Mitarbeiter. Doch wem gegenüber ist der Chef verantwortlich? Notwendig wäre also auch eine "höhere Ebene" über der letzten menschlichen Instanz, so Binder.
Wirtschaftsethik
Im zweiten Vortrag befaßte sich der Göttinger Volkswirt Professor Dr. Hermann Sautter mit Wirtschaftsethik, und dem scheinbar unüberbrückbaren Widerspruch zwischen moralisch-verantwortlichem Handeln und der Herrschaft des Geldes. Seiner Meinung nach treten die Probleme aber erst auf, wenn die Aristoteles'sche "Haushaltskunst" von der "Bereicherungskunst" verdrängt wird, Geld also zum Lebensinhalt wird. Zur notwendigen inneren Freiheit gebe es sicher mehrere Wege, so Sautter. Er als Christ habe diese Freiheit im Glauben gefunden, so daß er nicht mehr von Äußerlichkeiten abhängig sei. Verantwortliches Wirtschaften heißt für ihn beispielsweise: statt kurzfristiger Gewinne auf langfristige Wertsteigerungen zu achten. So betrachtet seien auch die Autonomie der Notenbank mit ihrer Verpflichtung zur Geldwertstabilität oder das Verbot des Insider-Handels an der Börse Ausdruck ethischen Wirtschaftens, erläuterte der Göttinger Volkswirt.
Rege diskutiert wurde besonders nach dem Vortrag zu ärztlicher Ethik von Professor Dr. Kurt Lennert. Gesetzesverstöße werden in der Regel mit Bestrafung geahndet, konstatierte der Mülheimer Chirurg. Doch bis auf den Hippokratischen Eid, der beispielsweise zur Ehrfurcht vor dem Leben mahnt, gebe es derartige Gesetze in der Medizin nicht. Besonders in Grenzbereichen des Lebens müssen sich Ärzte auch mit Moral und Ethik auseinandersetzen. So wurde mit dem Transplantationsgesetz von 1997 der Hirntod dem "Gesamttod" gleichgesetzt, obwohl andere Organe noch funktionsfähig sind, der Mensch also noch wiederbelebt werden könnte. Gerade durch die Medien werde auch immer wieder die Frage nach lebensverlängernden Maßnahmen, beispielsweise bei Koma-Patienten, gestellt. Da der Tod jedoch nicht verhindert werden kann, würde oftmals nur das Sterben verlängert, so Lennert.
Auch nach den Vorträgen entwickelten sich noch interessante Diskussionen mit den Referenten, besonders über ihre Sicht als Christ zu ihrer wissenschaftlichen Arbeit. Schade jedoch, daß die Vorträge mit maximal 35 Gästen nur mäßig besucht waren. Auch in Magdeburg bilden Ethik und Wissenschaft noch keine feste Einheit.